Die Weltanschauung des Polytheismus

 (Interview des Historikers  und Forschers Vlasis Rassias an die Zeitschrift "Anichneuseis" im Jan-Feb 1998 auf griechisch. Übersetzt durch Simon Zavrakidis)
 
 

Frage: wir beobachten die Tendenz , dass viele Kreise  das Wort „Hellene“(Grieche ) im Zusammenhang mit bestimmten Weltanschauungen definieren.
Diese Definitionen verursachen natürlich neue Auseinandersetzungen , die  die  Fortsetzung eines uralten Kampfes sind.. 

Wie kann heute , Ihrer Meinung nach , jemand Hellene sein,  seinen Überzeugungen über das Göttliche nach   ?....

Grieche was die Überzeugungen  über das Göttliche betrifft, heißt Grieche seinen Überzeugungen  dem Kosmos nach  zu sein.
Denn in der griechischen Weltanschauung (wie auch in allen  paganistischen)  deckt sich der Kosmos mit dem  Göttlichen.

Der Kosmos ist das Alles, der Kosmos besteht vor allem anderen ist ewig und unendlich.

Die Götter sind Naturkräfte Naturenergien und zusätzlich Ideen/Werte in der griechischen Weltanschauung.

Sie werden ab einer Entwicklungsstufe der griechischen Zivilisation im Kosmos geboren und

funktionieren  innerhalb seiner Prozesse um seiner Fortsetzung und Fortentwicklung zu dienen.

Oberstes Prinzip (griechisch Arche : auch Anfang 1) aller ist ein Gesetz ,eine Notwendigkeit ,die gewidmet ist die Ewigkeit des Kosmos sicherzustellen.

Das ist die Basis der polytheistischen Weltanschauung.

Die Monotheisten, auf der anderen Seite, denken im Kosmos einen Anfang hinein.

Das heißt es gibt einen außerkosmischen Gott der existiert  vor  dem Alles,  einen Gott der 

existiert vor dem Kosmos und ist ewig und unendlich und irgendwann einen bestimmten Moment  erschafft dieser außerweltliche Gott  aus dem nichts das Alles den Kosmos.

Er erschafft durch seinen Logos (Wort,Vernuft 1) ,oder durch eine andere Methode den Kosmos ,also ist der Kosmos nicht ewig sondern nur der außerweltliche Gott der Schöpfer ist es.

Der Kosmos ist eine Schöpfung, welche weil sie einen Anfang hat ,logischerweise verurteilt ist auch ein Ende zu haben.

Diese zwei Weltanschauungen sind wesentlich wie man sich und die Welt sieht.

Auf diese zwei basieren  alle Weltanschauungen.

Wenn wir alle Weltanschauungen untersuchen alle Theorien die es gibt und geben  wird,   werden wir sehen ,dass alle in einer der zwei Weltanschauungen  zurückgeführt werden können. Entweder der polytheistischen  oder der monotheistischen Weltanschauung.

Der wesentliche Unterschied ist  nicht, wie der Name Mono- und Poly- impliziert, die Anzahl der Götter ,sondern ob sie den Gott innerhalb oder außerhalb des Kosmos sehen. 

Ob der Kosmos eine Schöpfung ist oder dagegen ewig ,darauf werden ganze Weltanschauungen Kosmogonien , Ethnogonien, Genealogien  gebaut.

Ich habe ein Schema,  welches das Bild der Anschauungen darstellt.

Dieses Schema erklärt wie die eine oder andere Weltanschauung sich später entwickelt in Institutionen, Verhalten, Lebensarten .

Es gibt eine Kugel diese wird in zwei Halbkugeln geteilt (so dass man nicht von einer in die andere gehen kann). Wenn wir die Kugel als den Kosmos definieren ,dann kann man  den Kosmos nur sehen  mit der Optik der einen Halbkugel  nicht beider Halbkugeln.

Man kann sich zum Schnittpunkt begeben und die andere Halbkugel sehen aber man wird sie immer aus seiner Sicht sehen.

Zwei die sich am Schnittpunk gegenüberstehen können eine ähnliche Sicht haben  ,sie werden jedoch nicht aufhören sich auf Ihrer Halbkugel zu befinden ,das heißt der Monotheist wird immer Monotheist bleiben wie auch der Polytheist.

Entsprechend der Sicht die man hat über den Kosmos bildet man die Institutionen des täglichen Lebens, diese ihrerseits bilden Verhalten, Kultur, das was wir das Menschliche  nennen.

Wir könnten z.B. sagen dass die Art wie ein Mono- oder Polytheist den Kosmos sieht

so ist wie ein Erdenmensch den Mond sieht von der Erde. Der Mond zeigt uns immer das selbe Gesicht.

Es ist wesentlich zu betonen, dass es Menschen unmöglich ist auf beiden Halbkugeln zu treten, denn man kann nicht zwei entgegengesetzte Seiten mit den gleichen Augen ansehen.

Die altgriechische Welt gehört zur sogenannten polytheistischen Welt, der Welt der Ethnien (Ethnos  =Nation ,darf nicht mit dem Begriff Nation wie dieser- nachdem das Christentum die Ethnien  gewaltsam zerstört hatte- mit der französischen Revolution neu aufkam 1)   der sogenannten Welt der Ethnikoi (ethnischen Menschen 1 ).
Das sind Gemeinschaften und Kulturen, die sich entwickelt haben und ihrerseits Weltanschauungen, Religionen, Institutionen, Philosophien, Theorien, Wissenschaften kurzum alles Menschliche gestalteten   basierend auf der bestimmten polytheistischen Anschauung für die Welt. 

Auf der anderen Seite ist die monotheistische Welt das Judentum ,Christentum und später der Islam und was auch immer in der Zukunft .Auch sie haben eine bestimmte Weltanschauung,  welche ihrerseits entsprechend auch Institutionen, Philosophien, Ansichten usw bilden natürlich von ihrer (Welt)Sicht aus  gesehen aus.

Frage: In wie weit glauben Sie beeinflusst die jeweilige Weltanschauung die Menschen, die so zu sagen der jeweiligen Seite „gehören“ ?
Wie beeinflusst sie  ihr tägliches persönliches Leben?

Das ist eine sehr schöne Frage. Wir sagten schon die Beeinflussung ist entscheidend.
Nun wollen wir das Wie untersuchen.

Angesichts der Tatsache, dass  der Kosmos und der Gott existieren, ob wir es nun anerkennen oder nicht, bleibt zu untersuchen wie wir die Idee des Gottes in unserem Hirn bilden und diese nach außen  projizieren zu den anderen Menschen, wie Theologie gebildet wird und was daraus hervorgeht.

Wenn wir das was in unserem Hirn ist und das was wir um uns sehen im Himmel erscheinen lassen ,wird dieses gleichzeitig von uns wiederempfangen, so wird eine Beziehung gebildet eine Beziehung der Projizierung und des Wiederempfangens - die unmittelbar damit zu tun hat was wir projizieren  - und danach wiedereinführen und verarbeiten.

In der Polytheistischen Weltanschauung haben wir bestimmte Gemeinschaften ,die in aller Regel selbstbestimmt sind ,ihre Ansichten sind Produkt einer Tradition ,die sich gebildet hat im Laufe der Jahrhunderten ,ohne ältere Traditionen abzuschaffen.

Es gibt einfach Neues und eine stetige und freie Entwicklung und was sich neu bildet –nicht nur im religiösen sondern auch im philosophischen und sittlichen- ist Produkt des ganzen Lebens dieses bestimmten Ethnos (Nation 1) und seines Wirkens im Laufe der Jahrhunderten.

Es wird nichts weggeworfen es wird einfach verarbeitet und  alte Institutionen  werden zurückgelassen, wenn sie sich nun als ungeeignet erwiesen haben  während sich geeignetere gebildet haben.

Es werden auch neue eingeführt, aber was es im Moment gibt, ist was im Moment diese bestimmte Gemeinschaft ausdrückt und dieses ist ihr eigenes Produkt und richtigerweise untersteht sie diesem.

Wir sehen nun, dass die Polytheistischen Gemeinschaften als selbstbestimmte Gesellschaften  diese Selbstbestimmtheit auch zum Himmel projizieren.

Ich befasse mich hier nicht mit anderen polytheistischen  Gemeinschaften, asiatischen animistischen ,afrikanischen usw sondern ich beschäftige mich mit dem was uns angeht ,das heißt die europäische polytheistische Tradition und besonders was uns besonders angeht die griechische Tradition.
 
Frage : und wie können wir definieren  wie diese griechische Tradition und Weltanschauung angefangen hat? ..

Die griechische Tradition (die klassische zumindest) über das, was im Himmel ist, ist das Produkt der Projizierung der gesellschaftlichen  und politischen Organisation der homerischen Welt nach oben.  Das heißt es gibt einen Herrscher,  der andere gleichwertige Herrscher um sich hat, die sich um ihn sammeln, nicht als Diener oder Untertanen, sondern als gleiche, die in einem ruhmreichen Dienst funktionieren zu Förderung eines Zieles und gleichzeitig gibt’s es die Institution der Boule (griechisch: Parlament, Wille 1).
In Griechenland ist die Institution des Parlaments sehr  alt,  wir begegnen dem in Polyochne auf Lesbos im 3. und 2. Jahrtausend!

 Das Model, was wir in den homerischen Epen sehen, die Anführer der Achäer ,die sich um Agamemnon sammeln mit gleicher Stimme ,wo dieser als  erster unter gleichen anerkannt wird, dieses Model wird im Himmel projiziert und die Weltanschauung des Olympischen Pantheons wird gebildet .

Im Olympischen Pantheon gibt es eine Anzahl von Göttern, im Grunde könnten wir sagen es sind Tausende, denn die Zahl 12 ist rein symbolisch: es will zeigen, dass das Göttliche  die Sphäre des Kosmos in 12 Äußerungen erfüllt ein Prinzip basierend auf dem Dodekaeder, welches die Kugel am besten und nächsten erfüllt.

Die 12 ist symbolisch, 12 Fünfecke, das heißt irgendwelche Kräfte, Prinzipien, (er)füllen die Kugel des Kosmos. Die 12 Götter des Olympischen Pantheons sind nicht immer die selben, einmal geht Poseidon rein, ein andermal Ares, oder Demetra aber die Zahl 12 bleibt.

Charakteristisch ist dass der Gott Hermes die Sitte des Opferns einweiht: er opfert 12 Stücke von den Bullen der Götter an die Götter.

Im Grunde befindet er sich dann  außerhalb der 12 Olympier aber auch innerhalb.

Dieses will nur symbolisieren, dass die Zahl 12 vorher existierte.

In der Vorolympischen Zeit gab es 12 Titanen und immer 12 wird es geben in allen Zuständen.

Also projizierten  die Griechen das Bild von ihrem täglichen Leben, wie dieses  gesellschaftlich und politisch geregelt wurde, in den Himmel, um es dann wiedereinzuführen mit neuen Annahmen, Herausforderungen, die Ihnen halfen ihre Institutionen weiter zu entwickeln.

„Wie oben so auch unten“ das, was wir über den Himmel denken können wir in unserem täglichen Leben verwirklichen. Natürlich ist es nicht zufällig dass das in Griechenland erschaffen wurde, denn in Griechenland gab es die bestimmte Weltanschauung und diese ihrerseits wurde erschaffen, weil es diese bestimmte Gesellschaft mit diesem bestimmten Typus Mensch gab.

Entsprechende Theologie finden wir auch in Ägypten, aber dort sind die Bedingungen unfrei (Pharao Dynastien) dort sind sie zur Theokratie verkommen.

Hier jedoch in Griechenland, weil es diese bestimmte Gesellschaft/Gemeinschaft gab, die freie Manschen schuf, schuf sie auch entsprechendes im Himmel und führte es wieder ein mit den entsprechenden „himmlischen“ Institutionen.

Es gibt wie wir sehen eine gegenseitige Ergänzung und Entwicklung(der  Erfassung des Göttlichen durch den Menschen ,denn das Göttliche an sich bleibt 1).

Und was passiert mit der „anderen Seite“? können wir auch diese mit der gleichen Methode analysieren ?..

Auf der anderen Seite nun, der Monotheistischen, haben wir einen außerweltlichen Gott der erschafft die Welt aus dem nichts, was unhaltbar ist sowohl wissenschaftlich wie auch physikalisch, denn nichts kann aus dem nichts erschaffen werden.
Nichtsdestotrotz ist dieses die vorherrschende Weltanschauung, wenn auch die Wissenschaft bewiesen hat, dass  nichts  aus dem nichts erschaffen werden kann und mehr noch die Natur selbst beweist uns dieses täglich.

Nach dieser Auffassung wird jedoch  ein „Gebäude“ errichtet, welches sterblich ist,

deshalb kann es zerstört werden ,aber  auch wenn nicht es hat sowie so ein Verfallsdatum.

Diese Logik stuft die Welt ab zu einer sterblichen Schöpfung vulgärer Materie,

entgöttlicht  die Welt ganz und gar, bis wir zu bestimmten unangenehmen Entwicklungen der  letzten Jahrhunderten gelangen, sogar noch zur Spaltungen in der menschlichen Auffassung, zu reinen „dualistischen“ Auffassungen, Trennungen Geist / Materie, die „vulgäre“ Materie und der „gute“ Geist.

Diese Logik setzt voraus dass es einen Gott außerhalb des Kosmos der Welt gibt, dieser Gott untersteht überhaupt keinem Gesetz, außer sich selbst, er selbst also ist

die Quelle aller Gesetze, der erschafft natürlich unverfolgt und sein Recht ist es autoritär und willkürlich zu handeln.

Er hat kein Gesetz über sich, das diesen Gott einschränken kann.

Er befiehlt, er erschafft, ein Gott also, der Absolutismus  ausdrückt, der nach eigenem Gutdünken agiert, wenn er möchte sogar zügellos, und der Kosmos ist nichts anderes als ein Objekt, welches einfach nur seinem Willen und Wünschen untersteht.

Das ist verdächtig (zumal die monotheistischen Religionen  personengegründet sind 1), schafft eine monarchistische Ansicht darüber was es im Himmel gibt und  dieses wird auf gleiche Art und Weise nach unten  wiedereingeführt.

Trotz alle dem ist es eine Theologie. Welchen Schaden kann diese Theologie anrichten?

Mit der gleichen Prozedur wie wir schon erwähnt haben, wird dieses nach oben projiziert, wird dann wiedereingeführt als Ideen/Werte und Institutionen und bildet entsprechende politische und gesellschaftliche Ansichten.
Das ist sehr ernst.

Man kann sich nicht im Himmel absolutistische Monarchien vorstellen und gleichzeitig auf der Erde selbstbestimmte demokratische Wesen verwirklichen.

Es ist nicht zufällig, dass die Menschheit, die christianisierte zumindest, basierend darauf, es niemals geschafft hat Menschen, Verhaltenweisen hervorzubringen, entsprechend denen was die Griechen schufen.

Wenn auch wiederholt versucht wurde, in manchen erleuchteten Momenten ihrer Geschichte, immer fehlte etwas und  immer kehrte sie zum Fehler zurück.

Was fehlte ist sehr konkret: die griechische Weltanschauung, das heißt die polytheistische Tradition, mit ihren parlamentarischen Institutionen und (gesetzliche1) Regelung der Gemeinschaft auf Regeln demokratischer Gleichheit und Freiheit.

Ich denke der moderne Grieche (und nicht nur der Grieche 1) kann vieles verstehen, wenn er den stetigen Kampf dieser zwei Weltanschauungen untersuchen würde...

 

1 vom Übersetzer zum besseren Verständnis zugefügt